Ein deutsch-niederländisches Fotoprojekt und eine Ausstellung
Als ich im August 2021 eingeladen wurde, für das Projekt #woistdiegrenze/#waarisdegrens eine Fotoserie anzufertigen, ahnte ich nicht, wie diese Arbeit meinen eigenen Horizont über die Grenze zu den Niederlanden hinaus erweitern sollte. Als gebürtiger Niederrheiner und Wahl-Düsseldorfer glaubte ich zunächst, ein Heimspiel arbeiten zu können. Erst im Laufe meiner Recherchen und meiner zahlreichen Begegnungen bei der fotografischen Arbeit verstand ich, dass ich die Vorzüge einer grenzenlosen innereuropäischen Nachbarschaft teilweise überschätzt hatte.

Es gibt jenseits und diesseits der Grenze unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Ansprüche, unterschiedliche Interpretationen sowohl sozialgesellschaftlicher als auch kultureller Eigenheiten und unterschiedliche Sprachen. All diese Unterschiede prägen auch das Verhalten der NachbarInnen untereinander. Und so erfährt man immer wieder auch von Abgrenzungen und Vorbehalten gegenüber den „anderen“.
Es existieren aber auch in allen Bereichen gleiche Ansprüche, sowohl auf der niederländischen, als auch auf der deutschen Seite einer dadurch nicht immer wahrnehmbaren Grenze.
Was Menschen immer verbindet, sind die Begegnungen bei gleichen Interessen – für ihre Arbeit, für kulturelle und oder sportliche Leidenschaften, für die Landschaft und Tiere in der Natur, für Freizeitaktivitäten jeglicher Art.

So wurden die Menschen, oder auch ihre Spuren, die sie hinterlassen, das Hauptmotiv meiner fotografischen Arbeit.
Ich vermeide, die einzelnen Themeninhalte zu bewerten, da es bei allem nicht nur Vorteile sondern durchaus auch Nachteile gibt. Nicht nur nationale oder europäische Gesetze und Regeln machen den Unterschied oder die Gemeinsamkeit der Nachbarschaft aus, sondern die Einstellung der Menschen zu einzelnen Begebenheiten und Situationen.

Zunächst suchte ich bei meiner Konzeptionsarbeit nach einer einheitlichen formalen Bildsprache. Die Transluzenz ist das, was alle Bildmotive gemein haben. Beim Betrachten meiner Fotografien erfährt man zwei oder mehrere Situationen, die gleichzeitig nicht stattfinden oder die nicht an einem Ort sein können. Und die Menschen und die Fahrzeuge werden austauschbar, weil sie nicht eindeutig identifizierbar sind.
Durch Doppel- oder Mehrfachbelichtungen und durch transparente Bildteile entsteht der Eindruck einer Unwirklichkeit. Nach möglicher anfänglicher Irritation der Betrachtenden möchte ich auf diese Art genügend Spielraum für eine eigene Interpretation des jeweils untertitelten Themas provozieren und den Dialog fördern.

Es wäre im Höchstmaß unbescheiden, würde ich die Ausstellung in Wesel mit meinen Bildern als sehr gelungen beschreiben. Ein wenig kann ich das aber so tun, weil mein niederländischer Kollege aus Maastricht, Chris Keulen, seine attraktiven Bildmotive in der anderen Hälfte des gemeinsamen Fotoprojekts präsentiert. Am Anfang nur in Videokonferenzen, später dann auch bei physischen Begegnungen, freundeten wir Kollegen uns bei der gemeinsamen Aufgabe schnell an. Von Anfang an war allen Beteiligten klar, dass am Ende zwei völlig verschiedene Arbeiten in die Ausstellung kommen sollten: zwei unterschiedlich denkende und arbeitende Autoren, zwei unterschiedliche Bildsprachen in den jeweiligen Motivgruppen, zwei unterschiedliche Arten der Präsentation, und dennoch fließen die beiden Arbeiten in der Ausstellungsgalerie des LVR-Niederrheinmuseums in Wesel zusammen.


Die beiden Fotoserien vereinen den Anspruch der Autoren, Betrachtende auch zum Nachdenken über mögliche Grenzen in unseren Köpfen zu motivieren, persönliche Einstellungen über die Nachbarn auf den Prüfstand zu stellen, zu überdenken und zu verändern, um auf diese Art tradierte aber auch neue Vorbehalte abzubauen – hüben wie drüben.


Aus der Pressemeldung des LVR-Niederrheinmuseum Wesel:
In dem Projekt #waarisdegrens #woistdiegrenze haben sich zwei Fotokünstler dem Thema der Grenze zwischen NRW und den Niederlanden unter verschiedenen Aspekten gewidmet. Das Projekt zielte darauf ab, sowohl die Erfolge als auch die noch immer bestehenden Hemmnisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu visualisieren. Die fotografischen Kunstwerke setzen sich vor allem mit Themen auseinander, die einen direkten Einfluss auf das tägliche Leben der Bevölkerung in der Grenzregion haben und die eine Interpretation der Grenzthemen zeigt.
Die beiden Fotografen aus Deutschland (Karsten Enderlein) und aus den Niederlanden (Chris Keulen) haben jeweils ihren eigenen Stil, was eine Spannung in der Ausstellung erzeugt. Ein Roll-up-Banner mit einer Karte des Grenzgebiets zwischen NRW und den Niederlanden und den Orten, an denen die Fotos entstanden sind, wird die Ausstellung begleiten, so wie ein zweisprachiges Video, in dem beide Fotografen ihre Arbeitsmethoden und die entstandenen Kunstwerke kommentieren.
Hintergrundinformationen
Nationale und europäische Entscheidungsprozesse berücksichtigen selten die direkten Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Grenzregionen. Viele Entscheidungen stellen die Menschen des Grenzgebiets regelmäßig vor große Herausforderungen. Andererseits gibt es auch Entscheidungen, bei denen sie von Unterschieden profitieren. Das Projekt will die besondere Situation im Grenzgebiet und den Umgang der Bevölkerung damit künstlerisch aufarbeiten. Die entstandenen Kunstwerke sollen Akteur*innen, Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen für die Grenzsituation sensibilisieren. Der Schwerpunkt liegt auf den Erfolgen der Zusammenarbeit, aber auch auf den noch bestehenden Schwierigkeiten. Dies sollte dazu beitragen, die erfolgreiche Zusammenarbeit weiter zu stärken und die Hindernisse abzubauen.
Die Ausstellung ist vom 24. Februar bis 27. März im LVR-Niederrheinmuseum Wesel zu sehen.
Das Projekt wurde als Interreg-Projekt aus dem „people to people“-Budget der Euregio Rhein-Waal eingereicht und genehmigt. Die Sponsoren des Projekts sind:
– Interreg
– Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und internationale Angelegenheiten des Landes NRW (Staatskanzlei)
– LVR-Niederrheinmuseum Wesel/Landschaftsverband Rheinland
– Die Provinzen Overijssel, Gelderland und Limburg
Lieber Karsten,
es hat mich gefreut,
mal wieder einige Bilder
aus Wasel zu sehen. Walker Evans hätte
bestimmt an diesen Entsprechungen seine
Freude gehabt. Danke!
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