Ed Atkins bespielt die Bel Etage im K21

Der britische Künstler Ed Atkins gehört zu den Pionieren einer jungen Künstlergeneration, die sich intensiv mit den radikalen Veränderungen unserer Lebenswirklichkeit durch die rasante Entwicklung der digitalen Medien auseinandersetzt. International bekannt wurde er mit seinen computergenerierten Animationen, in denen er die Versprechungen, Potentiale und Ideologien der von ihm verwendeten Technologien kritisch hinterfragt.

Im Zentrum seiner Animationen steht zumeist ein nicht näher zu bestimmender Protagonist, den er durch seine eigene Mimik, Gestik und Stimme zu scheinbarem Leben erweckt. Seine mit Motion-Capture-Technologie bewegten Figuren demonstrieren ein beunruhigendes Maß an Lebensnähe und regen an, über Körperlichkeit und Emotionalität in einer zunehmend digitalisierten Welt nachzudenken. So thematisiert er in seinen bewegenden Videos mit ihren kraftvollen Soundtracks Existenzielles wie Liebe, Tod oder Krankheit. Er fragt, wie Begehren, Melancholie und Vergänglichkeit angesichts ihrer digitalen Abstraktion heute erfahren werden. Nicht nur mit seinen international gezeigten Videoarbeiten, sondern auch als Autor und Zeichner ist der 1982 in Oxford geborene Künstler bekannt geworden.

In seiner von Ausstellung zu Ausstellung erweiterten Werkgruppe „Ye Olde Food“, die Atkins in der Bel Etage für das K21 eingerichtet hat (23.02.2019 – 16.06.2019), verdichtet er Text, Sound und Bild zu einer pseudohistorischen Umgebung: Er versetzt den Betrachter in eine ländliche Welt mit idyllischen Landschaften und scheinbar heimeligen Holzhütten. Atkins nutzt die digitale Bildproduktion, um physische Gegenstände radikal zu entmaterialisieren und sie dennoch realistisch wiederzugeben.

Die einst so geschwätzigen Charaktere seiner frühen Videos sind in „Ye Olde Food“ verstummt. Stattdessen stöhnen, keuchen und weinen sie nun unaufhörlich und scheinen wie gefangen in einem nicht enden wollenden Loop übersteigerter Sentimentalität.

Ergänzt wird die Installation im K21 von einem sich ständig wiederholenden Klavierstück des zeitgenössischen Schweizer Komponisten Jürg Frey. Die fragile Klangtextur aus nur acht Akkorden taucht mit ihrer langsam stockenden Abfolge die Räume in eine melancholisch-romantische, von Ambivalenzen geprägte Atmosphäre.

Neben den Videos dominieren vier monumentale Kleiderständer mit zahlreichen historisierenden Kostümen aus dem Fundus der Deutschen Oper Berlin die Ausstellungssäle der Bel Etage. Mit ihrem Gewicht, ihrem Geruch und zudem den Raum akustisch dämpfend bilden sie einen starken Gegensatz zur hochaufgelösten Digitalität der computergenerierten Bilder. Auch sie erinnern wie die Videos an zahllose Körper und Leben – die abwesend sind. Damit stehen sie der Fiktionalität von Atkins‘ Bildwelten durchaus nahe. Ihre Historizität auf der Bühne ist ebenso heuchlerisch wie die vergossenen Tränen der digitalen Figuren.
Alle Fotos der Ausstellungsvorbesichtigung finden Sie in den SCHUBLADEN meines Archivs im Album BEGEGNUNGEN
Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie unter Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen