DIE ANGST DES KÜNSTLERS VORM KURATOR

Wenn jemand Kunst erklärt

Zunächst möchte ich bei allen Künstlerinnen und Kuratorinnen um Verständnis flehen, dass ich in meinem Artikel die weibliche Form dieser Berufsgruppen unausgeschrieben lasse. In Anlehnung an Peter Handkes Originaltitel seiner Erzählung aus dem Jahre 1972 „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ und des gleichnamigen Films von Wim Wenders sei mir in der Überschrift und im folgenden Text diese diskriminierende Geschlechtsspezifikation verziehen. Zumal ich als Autorin nunmal eine männliche Künstlerin und somit ein Künstler und ein Autor bin.

CD 431_24_panoDie Künstlerische Direktorin der Kunstsammlung NRW und Kuratorin Marion Ackermann (rechts) erklärt die Kunst vor JournalistInnen anlässlich der Pressekonferenz zur Ausstellung „IMI KNOEBEL – MALEWITSCH ZU EHREN“ am 6. Mai 2015 in der Kunstsammlung K21 in Düsseldorf. An der Wand: Zeichnungen des russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch.

Es passieren wöchentlich in aller Welt hunderte von Eröffnungsveranstaltungen zu Ausstellungen und Präsentationen von Kunst, bei denen hunderte von Kuratoren, Galeristen, Kulturreferenten und andere Kunstverständige im laufenden Kunstbetrieb zu sehen und zu hören sind. Das besondere Interesse sollte dabei vornehmlich dem Künstler gelten. Der Verantwortliche der Veranstaltung eröffnet eine Ausstellung. Er versucht aber auch die Kunst des Künstlers zu erklären. Und manches Mal sieht man dem Künstler an, dass er wohl besser zuhause geblieben wäre. Aber er erträgt es – und das nicht ohne Grund. Ohne die Institution Kunstmarkt wären seine Werke nicht öffentlich gemacht. Und das muss so sein, wenn er damit neben Ansehen auch Geld verdienen will. Da braucht es kommerzielle Strukturen in der Kunst. Die bestimmen den Wert seiner Arbeit. Die bestimmen seinen Wert als Künstler.

CD 431_16_panoImi Knoebel vertraut seiner Kuratorin Dr. Marion Ackermann. Beide haben das Werk „Schwarzes Rechteck, rotes Quadrat“ von Malewitsch im Rücken.

Endlich hat der Schaffende Aufmerksamkeit in der „Szene“ als Künstler erreicht und schon steht eine Ausstellung an, in der ein Teil seiner Werke gezeigt werden soll. Große Freude in der ihm zustehenden Eitelkeit als Autor dieser Werke: da ist ein Galerist, der seine Arbeiten für würdig hält, sie öffentlich zu präsentieren. Aber warum macht der das – klar, der ist Kaufmann und lebt mit und von derartigen Geschäften. Und er weiß die Arbeit so wert zu schätzen, dass er sich mit der Vermarktung der Bilder einen pekunären Vorteil verspricht. Und den verspricht er dem Künstler gleichermaßen.

CD 385_16_pano„Und wenn ich den Künstler richtig verstanden habe, …“ – Der Kunstfotograf Joachim Schumacher (rechts) lauscht den Worten seines Kurators Fabian Lasarzik, Künstlerischer Leiter der Stiftung Zollverein anl. der Eröffnung der Ausstellung „Von dieser Welt“.

Also kann der sich wiederum darauf freuen, denn es soll ja nicht sein Schaden sein. Und schließlich will er ja auch leben und sein Atelier oder sein Studio oder seine Projekte finanziert oder gar seine Familie ernährt sehen. Also gut. Und vielleicht wird er gar berühmt und kann weitere Arbeiten vermarkten und weitere Projekte finanzieren. Das wäre noch besser.

AirPackage_06_panoUnd wenn man sich einig ist, haben alle Spaß daran. V.r.n.l.: Kurator Peter Pachnike, Projektleiter und Exklusivfotograf Wolfgang Volz, Christo, Gasometer-Chefin Jeanette Schmitz und Sponsor Stefan Messer auf der Pressekonferenz im März 2013 anl. der Ausstellung „Big Air Package“ im Gasometer in Oberhausen.

Und bestenfalls ist sein Galerist nicht nur ein guter Kaufmann, sondern er versteht auch noch viel von Kunst im Allgemeinen und von den Werken des Künstlers im Besonderen. Er ist vielleicht sogar ein Fotoversteher im besten Sinne und versteht, was der Künstler mit seinen Bildern ausdrücken möchte. Vorausgesetzt, der weiß es auch. Und was, wenn er es nicht versteht? Dann kann man es ihm erklären? Keine gute Idee. Der Galerist ist verantwortlich für die Vermarktung der Arbeit ab dem Moment, in dem der Autor sich auf ihn eingelassen hat. Dann gibt dieser zu diesem Zeitpunkt alle Argumentationshilfen für seine Kunst in die Hände, besser in den Mund des Galeristen. Der ist der Kaufmann mit Sachverstand!

CD 428_40_panoWim Wenders (rechts) wirk zufrieden und dankt dem stellv. Vorsitzenden des Kulturausschusses der Stadt Düsseldorf Manfred Neuenhaus auf asiatische Art für dessen Interpretation der Ausstellung.

Also, kein Grund zur Angst vorm Kuartor?

Wenn der Künstler sich verstanden fühlt, deligiert er sicher gerne die Kommunikation zu seinen Werken in die Verantwortung des Galeristen, Verlegers oder Kurators. Denn der Künstler hat diesen Job nicht gelernt und konzentriert sich lieber auf das, was er besser vermag zu leisten, nämlich die kreative Umsetzung seiner Impulse, Ideen und Ideologien. Da braucht es nicht viele Worte – wenn er nicht gerade ein Schriftsteller ist.

Aber manches Mal wäre er vielleicht doch besser zuhause geblieben, wenn sein Kuartor seine Kunst erklärt.

D 3493_14_panoCulture meets the media – hier wird keine Ausstellung eröffnet, sondern sogar ein ganzes Museum. Die Verantwortlichen sind im Dialog mit den Medien. V.l.n.r.: Bauleiter Klaus Wolff, Geschäftsführer der NMFE GmbH, Museumsdirektor Hartwig Fischer, Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß, Stararchitekt David Chipperfield und VertreterInnen der visuellen Medien bei der Pressekonferenz zur Wiedereröffnung des Museum Folkwang im Januar 2010 in Essen.

Ich halte den Dialog mit den Kunstexperten dennoch für Künstler für unumgänglich. Birgt er doch letzlich auch die Chance der Fremdwahrnehmung seiner Arbeit, die ein Autor letztlich auch immer diskutieren sollte, wenn er seine Arbeit öffentlich machen möchte. Und zu dieser Öffentlichkeit brauchen Künstler eine Brücke, die der Kurator zu bauen versteht. Auch wenn der Künstler zu Erklärungen seiner Arbeit zurecht keinerlei Notwendigkeit sieht.

06.2015 k.e – aus aktuellem Anlass hier erneut veröffentlicht

alle Fotos: © k.enderlein FOTOGRAFIE


 

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