AUS MEINEN SCHUBLADEN 05.2018

Duisburg_08

© o.D. o.T. k.enderlein FOTOGRAFIE

In den frühen 80er-Jahren war ich neben meiner täglichen fotografischen Industrie- und Werbearbeit auch noch ein echter Straßenfotograf. Mitten im Revier, im Duisburger Bruckhausen, nutzte ich die arbeitsfreie Zeit zu fotografischen Bestandsaufnahmen einer multikulturellen Gesellschaft. Der Begriff multikuturell war damals noch lange nicht negativ besetzt und stand mit Assoziationen zu Buntheit und Vielfältigkeit für eine neue spannende Welt, die sich deutlich vom deutschen Nachkriegsbürgertum zu unterscheiden schien.

Und so waren es nicht gesellschaftliche sondern erst recht die äußerlichen, formalen Unterschiede, die mich reizten, zu fotografieren. Die Menschen unterschiedlicher Kulturen hatten jeweils ihre eigenen sichtbaren Merkmale. In diesem „Mischraum“ fotografierte ich die Konfrontation von kopftuchtragenden Frauen und bunter Konsumgüterwerbung, kochenden deutschen Hausfrauen und putzenden türkischen Männern (!). In der Tat damals für mich nicht nur als Fotograf „Starke Perspektiven“.

Die vielen türkischen Familien im Ruhrgebiet hatten ihre Gewohnheiten aus ihrer Heimat mitgebracht und beseelten die Leerflächen zwischen den Siedlungshäusern aus Backstein. Mit ihren deutschen KollegInnen saßen sie in ihrer Freizeit in kärglich wirkenden Höfen und Gärten. Aber im häufigen Gegensatz zu heute waren sie im Gespräch miteinander.

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LEBEN IM REVIER #02 © 1997 k.enderlein FOTOGRAFIE

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LEBEN IM REVIER #03 © 1997 k.enderlein FOTOGRAFIE

Bis in die späten 90er-Jahre schien sich nur wenig zu ändern an dieser so typischen Vorstellung vom Revier. Erst im neuen Jahrtausend erlebte ich grundlegende Veränderungen, die sich mit der zunehmenden Technologisierung in der Industrie überproportional entwickelten. Heute sind die meisten Häuser in Werksnähe abgerissen, die türkischen Familien wichen ärmeren osteuropäischen Sippen, die Werksgelände sind kleiner und auch sauberer geworden und Kulturstätten feieren in diesem Jahr großformatig das endgültige Ende der Kohleförderung in Deutschland.

Ich bin gespannt, wie es mit meiner Wahlheimat weiter geht und ob junge unvoreingenommene FotografInnen endlich ein neues Bild vom Ruhgebiet zu zeichen in der Lage sind. Anstelle ins europäische oder gar ferne Ausland zu reisen, wünschte ich mir, dass wieder mehr Fotografie-DozentInnen unserer wirklich großartigen Hochschulen mit ihren StudentInnen im Ruhrgebiet einfallen, um neue Bilder einer neuen Landschaft zu arbeiten.

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