In jüngster Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Bildern veröffentlicht, welche die Zerstörung und ihre Auswirkungen in der Ukraine sowie im Gazastreifen dokumentieren. In diesen Regionen wird ein technisch hoch effektiver und grauenvoller Vernichtungskrieg geführt. Die massive Bildberichterstattung im Internet und in den Medien, geradezu in Echtzeit, gewährleistet eine permanente Präsenz in unserem Bewusstsein. Aufgrund der Vertrautheit mit Bildern, die seit der Erfindung der Fotografie in unser kollektives Gedächtnis übergegangen sind, sowie der Kenntnis ihrer Hintergründe, verbinden wir mit ihnen Assoziationen von Krieg, Vernichtung, Tod, Elend, Flucht, Hunger und Verzweiflung. Lässt uns der Blick auf ein zerstörtes Haus durch einen Zaun dann unberührt? Obgleich die Kenntnis darüber vorhanden ist, dass es sich um den Abriss eines asbestverseuchten Bürogebäudes handelt, an dessen Stelle bald ein neues, schöneres Hochhaus errichtet werden wird, wird dennoch unmittelbar eine Assoziation mit Krieg evoziert. Und das, was auf dem Bild durch den Zaun verborgen bleibt, denken wir hier weiter mit Hilfe eigener Erinnerungen an die zahllosen Bilder von zerstörten Städten und Häusern.

Bilder lesen lernen heißt am Beispiel dieser Fotografie, dass ich für mein Bildverstehen meine bereits gelernten, wenn auch subjektiven Wahrheiten immer wieder mit dem Gesehenen abgleichen muss, um die Sprache der Fotografie zu verstehen. So begreife ich, was die FotoautorInnen, die hinter den unzähligen kommunizierten Bildern stehen, die ich täglich wahrnehmen kann, mir mitteilen wollen. Bestenfalls lerne ich aber auch, manipulative visuelle Fehlinformationen, irritierende Bildmontagen und Bilder aus ursprünglich anderen Zusammenhängen besser von authentischen Motiven und Hintergründen zu unterscheiden. In sich einer gravierend verändernden Medienkultur der heutigen Zeit bin ich gut beraten, immer wieder aufs Neue die Sprache der Fotografie entsprechend zeitgemäß zu übersetzen.
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